Mastodon Incogni: Lohnt sich’s? – Sascha Wübbena
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Incogni: Lohnt sich’s?

Wir alle hinterlassen Spuren im Internet und im täglichen Leben. Das sollte jedem klar sein. Und uns sollte auch klar sein, dass man nicht immer nett mit unseren persönlichen Daten umgeht. Es werden Informationen wie Namen, Adressen, Telefonnummern, Geburtsdaten und E-Mail-Adressen entwendet, verkauft und missbraucht. Deswegen klingelt es gelegentlich am Telefon wegen irgendwelcher angeblichen Gewinnspiele oder Umfragen, und deswegen gibt es auch so viel Spam in deiner Inbox.

So richtig dagegen vorgehen kann man nicht. Man kann am Telefon sagen, dass die Nummer doch bitte von der Liste gelöscht werden soll, man hat aber keine Rückmeldung, ob das auch passiert ist. Man kann in einer Spam-Mail auf „Newsletter abbestellen“ (falls vorhanden) klicken, aber leider ist es meist so, dass man damit die E-Mail-Adresse eher noch bestätigt und für den Wiederverkauf noch wertvoller macht. Und dann gibt es noch die sogenannten Daten-Broker, also Börsen, die in großen Stil Daten sammeln und verkaufen. Würde dir solch eine Firma spontan einfallen? Genau, mir nämlich auch nicht.

Ein sehr cooler Ansatz

Vielleicht bist du beim YouTube-Schauen auch schon einmal auf den Service Incogni aufmerksam gemacht worden. Diverse Influencer machen oder machten Werbung dafür. So wurde auch ich hellhörig, weil das genau das ist, was man eigentlich haben möchte und wofür man unter Umständen auch gerne bereit ist, Geld auszugeben. Aber was macht Incogni?

Incogni hat eine lange Liste solcher Daten-Broker. Sie haben sich zur Aufgabe gemacht, im Auftrag ihrer zahlenden Kunden diese anzuschreiben und die Löschung der Daten zu veranlassen. Und selbstverständlich berufen sie sich auf die DSGVO (Europäischen Datenschutz-Grundverordnung), die jedem Bürger der EU das Recht einräumt, auf eine Löschung seiner Daten zu bestehen. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste mich selbst auf die Suche nach solchen Daten-Händlern machen, diese selbst anschreiben zu müssen und dann noch nachzuhalten, ob der Anfrage entsprochen wurde – allein bei dem Gedanken verliere ich schon die Lust. Deswegen bin ich von der Idee, die Incogni da verfolgt, mehr als begeistert.

Die Webseite ist sehr einfach gehalten und man findet sich einigermaßen schnell zurecht. Man registriert sich und gibt dabei einige Informationen von sich ein (Adresse, Telefonnummer und E-Mail-Adresse). Diese werden dazu genutzt, um dich konkret bei den jeweiligen Händlern zu benennen, damit auch man weiß, welche Daten gelöscht werden sollen. Und sobald die Registrierung und Bezahlung abgeschlossen ist, geht es auch schon los.

Relativ schnell kommt die ein oder andere Reaktion von Daten-Brokers per Mail rein. Meist ist es nur eine Empfangsbestätigung der Löschanfrage. Die eigentliche Musik spielt aber in dem sehr übersichtlichen Dashboard von Incogni.

Der Screenshot zeigt eine Grafik, die deutlich macht, wie viele Anfragen an Daten-Broker geschickt wurden (42), wie viele davon noch in Bearbeitung (14) und wie viele Anfragen abgeschlossen sind (28). Außerdem gibt es die Information, dass ich mit diesem Service 21 Stunden Arbeit eingespart habe und dass 11 Daten-Broker meine Informationen auf eine Unterdrückungsliste gesetzt haben.

Eine schöne, übersichtliche Grafik, die mir sagt, bei wie vielen Unternehmen keine Daten mehr vorhanden sind. Aber in einer erweiterten Ansicht unter „Detailed view“ geht es noch mehr in die Tiefe. Hier eine Übersicht zu zwei bereits erledigter Anfragen:

Dieser Screenshot zeigt zwei bereits abgeschlossene Vorgänge an. Der erste hat den Status "Broker suppressed", der andere steht auf "Completed" mit dem Hinweis, dass in 112 Tagen eine weitere Löschanfrage gestartet wird.

Stellt sich jetzt die Frage, was „Completed“ und „Broker suppressed“ bedeutet. Auch das ist schnell erklärt:

Completed bedeutet, dass der Löschanfrage nachgegangen wurde und es eine positive Rückmeldung gab. Also Daten gelöscht, oder es waren keine Daten vorhanden.

Broker suppressed geht da noch einen Schritt weiter. Hier wird ebenfalls bestätigt, dass Daten gelöscht oder nicht gefunden wurde, aber auch, dass in Zukunft keine Daten von mir mehr aufgenommen werden. Hier ist also dauerhaft unterbunden, dass Informationen zu mir gespeichert und verarbeitet werden.

Bis hierhin klingt das alles ziemlich gut. Am 12. April sind die Anfragen gestartet worden, und jetzt (nicht einmal zwei Wochen später) gibt es eine große Anzahl von Rückmeldungen. Und einige weitere werden bestimmt auch noch folgen.

Auf halbem Wege angehalten

Kommen wir aber zu dem, was mir nicht gefällt. Und damit auch zu dem, was ich unendlich schade finde und meine Freude über einen solchen Service wirklich trübt.

Eingeschränkte Datenreferenz. Wie schon beschrieben, muss ich natürlich einige Informationen angeben, damit die Broker auch wissen, welche Daten sie löschen sollen. Incogni ermöglicht mir aber nur EINE Adresse, EINE Telefonnummer und nur EINE E-Mail-Adresse anzugeben. Ich habe aber mehrere E-Mail-Adressen und Telefonnummern. Und vielleicht möchte ich auch noch ehemalige Wohnorte gelöscht wissen. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht möglich.

Nicht konsistente Anzahl der Broker. Incogni gibt an, dass sie aktuell 170 solcher Datenhändler in ihrem Portfolio haben. Und besonders stolz sind sie darauf, dass alles automatisiert ist. Wenn das wirklich der Fall ist, warum sind derzeit nur 42 Löschanfragen versendet worden? Es fehlen schlichtweg Informationen in dem Dashboard. Und wenn Incogni pro Monat nur eine bestimmte Anzahl an Anfragen versendet, dann wäre ein Hinweis sinnvoll. Warum nicht vollständige Liste der Broker anzeigen und dann mit dem Hinweis, dass die Anfragen später gestartet werden?

Zu wenig hilfreiche Informationen. Wenn schon ein Löschungsauftrag an Unternehmen gegeben wird, wäre eine Datenauskunft sehr spannend. Wenn ein Vorgang abgeschlossen ist, gibt es keinerlei Information darüber, ob Daten vorhanden waren oder nicht, und wenn ja, welche Daten wurden verarbeitet. Eventuell wäre es noch cool zu wissen, was die Quelle war. Ich würde mich genau so etwas wünschen, weil es mir helfen würde, sensibler zu werden, wo ich persönliche Informationen preisgebe und wo vielleicht nicht.

Kein Service bei Auftragsverweigerung. Was passiert, wenn ein Broker nicht reagiert, keine Daten löscht und damit gegen geltendes europäisches Recht verstößt? Seitens Incogni gar nichts. Und das meine ich mit „auf halbem Wege angehalten“. Denn gerade hier wird es doch spannend und anstrengend für uns Kunden. Wenn es da entsprechende Dienstleistungen gäbe, die dann auch diesen Part übernehmen, das wäre ein deutliches Signal an die Daten-Händler. Und das wäre etwas, wofür ich auch gerne weiterhin regelmäßig Geld bezahlen würde.

Fazit

Ihr merkt, dass in mir zwei Herzen schlagen. Einerseits bin ich wirklich begeistert davon, dass es diesen Service gibt. Und leider wird ein solcher Dienst immer notwendiger, wenn man einigermaßen Kontrolle darüber haben möchte, was mit den eigenen Daten passiert. Andererseits gibt es noch so viel, was fehlt. Zum Beispiel, dass man mehrere Adressen und E-Mail-Adressen angeben kann. Aber daran soll Incogni laut eigenen Aussagen arbeiten. Das wäre in meinen Augen das mindeste, das noch kommen muss.

Der Service kostet Geld. Wer sich für einen Jahresplan entscheidet, zahlt derzeit (Stand April 2024) 78,00 € pro für die 12 Monate (50 % Rabatt). Wer monatlich bezahlen und auch kündigen möchte, der muss 13,00 € berappen. Man hat eine 30-Tage-Geld-zurück-Garantie, die meines Erachtens überhaupt keinen Sinn ergibt, weil man sich nach einem Monat kein umfängliches Urteil bilden kann.

Ob ich mein Abo nächstes Jahr verlängern werde, kann ich jetzt nach zwei Wochen nicht sagen. Aber ich kann das im laufenden Jahr weiter beobachten und werde dann rechtzeitig eine Entscheidung treffen. Und wer weiß, vielleicht passiert technisch noch ein wenig was bei Incogni.

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