Mastodon Autopilot ist teilweise lebensgefährlich, sonst oft nervig – Sascha Wübbena
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Autopilot ist teilweise lebensgefährlich, sonst oft nervig

Wie ich bereits erzählte, steht seit Februar 2024 ein Tesla Model Y vor meiner Tür. Das ist insofern „witzig“, weil sich die Nachrichten über Tesla seitdem überschlagen. Die Absatzzahlen gehen in den Keller, der Cybertruck ist von Anfang bis Ende ein Desaster, es sind Massenentlassungen angekündigt, Mr. Musk hat sogar sein komplettes Marketing-Team vor die Tür gesetzt. Als wenn sein Marketing-Team in irgendeiner Art und Weise schuld am Sturzflug der Marke Tesla wäre. Aber das nur nebenbei. Ich habe währenddessen meine erste längere Strecke mit dem neuen Auto absolviert. Kurz zusammengefasst: schönes Reiseauto, aber wir sind trotzdem gut wieder zu Hause angekommen.

Klingt kryptisch, oder? Dann dröseln wir das mal auf.

Nettes Reiseauto

Wo das Model Y definitiv punkten kann, ist der Platz. Hat man einen Koffer dabei, ist es fast so, als würde man den Sportbeutel in eine Turnhalle werfen. Das Ding ist einfach ein Riese. Und das macht sich auch im Wageninnenraum bemerkbar. Ich habe selten so bequem in einem Auto gesessen. Und manchmal denke ist, dass es schade ist, dass man nicht hinten sitzt. Dann wäre der Ausblick mit dem Panoramadach noch mal beeindruckender. Vorn bekommt man einfach zu wenig davon mit.

Auch wenn der Tesla nicht das leiseste Elektroauto ist (mangels anständiger Dämmung und Doppelverglasung hinten), war es angenehm ruhig auf der Autobahn. Man konnte sich mit einer normalen Lautstärke unterhalten, oder Musik und Podcasts hören. Auch die Windgeräusche hielten sich bei 120, 130 km/h in Grenzen.

Und was das Laden angeht: Ja, das Ladenetzwerk von Tesla ist einfach ein Luxus. Man braucht sich keine Gedanken darüber zu machen, ob man eine freie Säule findet und ob sie dann funktioniert. Kein Hantieren mit Karten jeglicher Art oder Apps. Einfach einstecken und er lädt. Und mit seinen 170 kW Ladeleistung ist der Akku schneller wieder voll, als man den Cheeseburger heruntergeschluckt hat. Und mit 21 kWh pro 100 Kilometer ist der Verbrauch auch vollkommen okay. Zumal wir durchschnittlich nur 5 Grad Celsius hatten. Da wird bei höheren Temperaturen noch sehr viel mehr gehen.

Anstrengende Bevormundung

Aber es gab auch Momente, die mich entweder zur Weißglut oder zum Schwitzen gebracht haben. Fangen wir mit der Weißglut an? Gut. Sprechen wir vom Autopiloten, der mehr sein will, als er sein sollte. Und wenn ich vom Autopiloten spreche, dann von der Basis-Version. Darin inbegriffen sind ein Spurhaltesystem und ein Abstandstempomat. Schauen wir uns mal an, wie das in der Praxis bei Tesla aussieht.

Der Hebel rechts vom Lenkrad aktiviert den Autopiloten. Einmal nach unten drücken, schon sind Abstandstempomat und Spurhalteassistent aktiv. Aber nicht nur das. Automatisch wird dann auch das Licht und der Scheibenwischer auf „Automatik“ gesetzt. Klingt gut, ist aber nervig, aus zwei Gründen:

  1. Wenn es hell ist, gibt es trotzdem Situationen, in denen ich gerne das Licht einschalte. Beispielsweise, wenn es regnet und die Gischt die Sicht erschwert. Schaltet man den Autopiloten ein, denkt sich dein Tesla: „Och, ist ja hell genug. Dann kann ich das Licht auch ausmachen.“ Ich kann das dann manuell über das Display wieder einschalten, aber beim nächsten Aktivieren des Autopiloten, ist meine Einstellung wieder weg.
  2. Wo wir von Regen sprechen. Die Wischerautomatik von Tesla ist inzwischen fast ein Meme geworden. Sie macht, was sie will. Ja, sie wischt. Aber unverhältnismäßig hektisch. Über das Display kann man, wie bei jedem anderen Auto auch, den Intervall selbst einstellen. Aber (du ahnst es wahrscheinlich schon) beim nächsten Aktivieren des Autopiloten ist die Wischerautomatik wieder an.

Bei leerer Autobahn und gemütlicher Fahrweise stellt sich nun die Frage, warum man den auch ständig den Autopiloten aktivieren muss. Gute Frage. Denn der Spurhalteassistent (derzeit noch in der Beta) ist der größte Dreck, den ich jemals in einem Auto erlebt habe. Normalerweise erkennt ein Spurhalteassistent am Blinken, dass ich die Spur wechseln will und gibt das Lenkrad frei. Nach erfolgtem Spurwechsel schaltet er sich wieder ein. So nicht beim Tesla. Ich blinke und muss das Lenkrad regelrecht herumreißen, damit der Assistent begreift, dass ich jetzt selbst lenken möchte. Außer, ich bin so dicht an einem vorausfahrenden Auto dran, dass der Computer erahnt, dass ich überholen will. Aber dann hat er die Geschwindigkeit wegen des Abstands schon reduziert. Von einer flüssigen Fahrweise ist man also weit entfernt.

Es geht also immer ein Ruck durchs Auto, wenn sich der Spurhalteassistent beim kräftigen Lenkvorgang ausschaltet. Obwohl … es schaltet sich ja nicht nur der Spurhalteassistent aus, sondern der komplette Autopilot, inklusive Tempomat. Ich muss also bei einem Spurwechsel immer auch das Strompedal betätigen, weil der Wagen sonst abbremst. Wieder in meiner Spur angekommen, aktiviere ich den Autopiloten und muss Licht und Scheibenwischer wieder so einstellen, wie ich das möchte. Ich war selten so genervt von einem Auto.

Trotzdem gut zu Hause angekommen

Aber es geht noch schlimmer. Tesla hat ein Notbremssystem, das ja prinzipiell eine gute Sache ist. Allerdings konnte ich zwei Szenarien ausmachen, bei denen eine Notbremsung erstens vollkommen fehl am Platz, und zweitens gerade zu lebensgefährlich war.

  1. Ich fahre auf der rechten Spur mit entspannten 120 km/h, auf Höhe einer Autobahnauffahrt. Rechts, schräg hinter mir, möchte ein*e Autofahrer*in auf die Autobahn und beschleunigt natürlich. Der Autopilot wittert Gefahr und macht eine Notbremsung.
  2. Im zweiten Szenario überhole ich auf der mittleren Spur andere Fahrzeuge. Auf der linken Spur rast ein Auto mit gut 200 km/h an mir vorbei. Der Autopilot wittert Gefahr und macht eine Notbremsung.

Eine Vollbremsung auf einer Autobahn am helllichten Tag ist der Wahnsinn! Ich stelle mir nur vor, dass da ein Lkw-Fahrer hinter mir fährt und er es nicht mehr schafft zu reagieren. Da ich von solchen komischen Manövern ausgegangen bin, war ich immer in Hab-acht-Stellung und konnte schnell reagieren und aufs Strompedal treten, um schnell wegzukommen.

Es gab einige solcher Situationen. In dem Bewusstsein, dass so etwas passieren kann, war ich während der ganzen Fahrt nicht wirklich entspannt. Ich war immer damit beschäftigt, auf eigentlich normale Verkehrssituationen zu achten, um mich auf unerwartete Aktion der Assistenten einzurichten. Und immer musste ich irgendwelche Einstellungen vornehmen, weil das Model Y meint, es besser zu wissen.

Was ich erwarte

Meine Ansprüche sind nicht hoch. Ich möchte einfach nur, dass die Assistenten so funktionieren, wie man es seit vielen Jahren von anderen Herstellern kennt. Keine Extravaganzen. BMW, Volkswagen, Mercedes, Opel und wie sie alle heißen haben seit Jahren Erfahrung damit, wie es gut funktioniert. Warum also alles ändern wollen?

Licht-Automatik? Gerne, aber für sich alleinstehend. Scheibenwischer-Automatik? Ja, bitte! Aber was hat der mit den Fahrerassistenzsystemen zu tun? Abstandstempomat? Für mich ein Pflichtfeature, aber warum fliegt der raus, wenn ich die Spur wechsle? Spurhalteassistent? Ich liebe ihn. Aber ich möchte entscheiden, wann ich die Spur wechsle. Und ich erwarte einfach, dass der sich zumindest automatisch ausschaltet, wenn ich blinke – egal, wie weit der Vordermann noch weg ist. Und nein, ich werde keine 3.500,00 € für eine Autopilot-Erweiterung ausgeben, nur um den Spurwechselassistenten zu bekommen. Wer weiß, welche Bugs ich mir dann zusätzlich einfange.

Am Ende ist alles gut gegangen. Zu Hause angekommen war ich extrem geschafft und müde. So erschöpft habe ich mich nach den langen Fahrten mit unserem kleinen Opel Adam selten gefühlt. Meine große Hoffnung ist, dass all die von mir genannten Fehler und Unzulänglichkeiten von Tesla behoben werden. Und zwar, bevor es mit denen noch weiter bergab geht.

Es gibt Momente, in denen ich darüber nachdenke, ob es nicht doch besser gewesen wäre, die 70 bis 100 € pro Monat mehr auszugeben und dafür ein besseres Auto zu haben. Aber eine Finanzierung rückgängig machen und das Auto zurückgeben, das wird nicht so einfach gehen.

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